Als Funsportart ist Kitesurfen etwas, das – wie der Name eh schon sagt – Spaß machen soll. Und natürlich tut es das auch. Meistens. Aber eben nicht immer!
Gleich vorab: Es geht in diesem Artikel nicht um Kiteprofis. Klarist es nicht zu 100 Prozent spaßig, stets unter dem Druck zu stehen, bei Contests gute Platzierungen erreichen zu müssen.
Aber auch “normale” Kiter, die nicht an Wettbewerben teilnehmen, setzen sich oft enorm unter Druck – und Druck ist der Spaß-Killer schlechthin.
Bigger, better, faster, more!
Wenn Kiten stressig wird
Ich habe es oft genug bei Freunden bzw. Bekannten gesehen oder miterlebt (und ich selbst bin auch keine Ausnahme): Am Anfang einer Kitekarriere steht ein Ziel im Vordergrund – nämlich in beide Richtungen fahren zu können. Hat man dieses Ziel erst einmal erreicht, wird’s schnell langweilig – und man will mehr (wie gesagt, ich spreche hier nicht von ALLEN Kitern).
Also, was dann? Springen, Backroll, Frontroll, Grabs, die ersten Unhooked-Versuche. Und so weiter, und so fort. Manche machen strapless weiter oder gehen foilen.
Wie auch immer – unabhängig von der Kite-Disziplin haben die meisten Kitesurfer eines gemeinsam: Den Wunsch, ihre Kite-Skills zu verbessern. Höher, schneller, mit mehr Power, schwierigere Tricks erlernen, andere beeindrucken, besser werden als die anderen.

Das Bestreben, sich zu verbessern, ist ja an sich nichts Schlechtes – im Gegenteil. Ein gewisser Ehrgeiz ist nötig, um motiviert zu bleiben und nicht zum Stillstand zu kommen. Und klar macht es auch riesig Spaß, etwas Neues dazuzulernen und zu sehen, wie die eigenen Fähigkeiten wachsen.
Manchmal ist der Grat zwischen Ehrgeiz und Verbissenheit jedoch verdammt schmal. Und Verbissenheit killt leider jeglichen Spaß. So jedenfalls habe ich es für mich erlebt.
Stress beim Kitesurfen?
Braucht echt niemand!
Um nochmal auf den Sinn von Aktivitäten wie Kitesurfen zurückzukommen: Ich würde sagen, dass es – abgesehen vom Spaß – darum geht, es zu genießen, den Kopf freizubekommen, sich zu bewegen, in nahen Kontakt mit der Natur zu kommen, sich frei zu fühlen.
Nicht wenige Kiter befinden sich jedoch im Dilemma, dass sie vor lauter dauerndem Besserwerdenwollen all die schönen Seiten des Sports gar nicht mehr mitbekommen.
(Nochmal, ich spreche hier nicht von Proridern, die an Competitions teilnehmen. Da spielt noch der Wettbewerbsfaktor mit, d. h. sich zu verbessern ist quasi ein Muss. Aber selbstverständlich haben auch Pros Spaß an dem, was sie tun und lieben Kiten – alles andere würde ja gar keinen Sinn machen.)
Was ich nur zu gut kenne: Wenn man eine Kitesession nur mit einem Ziel vor Augen angeht – nämlich, einen ganz bestimmten Trick zu landen – dann ist die Chance auf eine miese Session 50:50. Ziemlich hohes Risiko, oder? Abgesehen von dem ganzen Spaß, den man sich vor lauter Stress entgehen lässt: Wer beim Kiten angespannt ist oder sich zu hart pusht, erhöht sein Verletzungsrisiko. Nicht gut.

Gründe, warum man sich als Kiter unter Druck setzt, gibt es viele – es ist nicht nur übermäßiger Ehrgeiz. Ob man zur Verbissenheit tendiert oder eher der “Fishing for compliments”-Typ ist, hängt vom Charakter ab. (Manche Kiter sind auch von Grund auf easy-cheesy und immer entspannt. Wahrlich beneidenswert! Aber um diese Typen geht es in diesem Artikel nicht.
Was man nicht abstreiten kann: Kitesurfen ist ein Sport, der mit viel Image und Eitelkeit verbunden ist. Meist ist man ja nicht alleine auf dem Wasser – d. h. Freunde, andere Kiter und die Leute am Strand können einen beobachten.
Es gibt da diesen Spruch: „When the crowd starts watching, the glory begins.“ Und es sind nicht wenige Kiter, die nach diesem Motto leben bzw. kiten. Dann gibt es noch die Leute, die ohne die uneingeschränkte Bewunderung der anderen nicht leben können – sprich, die immer Publikum brauchen. Nicht zu vergessen, die Jungs, die die Mädels am Strand beeindrucken wollen … ok, ok, das ist normal. Aber hin und wieder wird’s auch einfach zuviel!

Weitere Beispiele: Es gibt Kiter, die Wettkämpfe mit ihren Freunden laufen haben – oder mit anderen Typen am Kitebeach. Kitemädels sind manchmal der Meinung, sie müssten alles gleich machen wie die Jungs.
Speziell für Frauen kann der Wettbewerbsfaktor beim Kiten umso höher sein, vor allem an Spots, an denen es nicht viele weibliche Kiter gibt – weil Frauen grundsätzlich stärker dazu tendieren, sich mit anderen zu vergleichen.
All das sind Faktoren, die beim Kiten Stress verursachen können. Und wer braucht Stress beim Kiten? Absolut niemand.
Stress beim Kitesurfen:
Meine eigene Geschichte
So, dann erzähle ich mal ein wenig von mir. In den vergangenen Jahren hatte ich jede Menge miese Sessions. Wirklich jede Menge! Ich weiß nicht, wie oft ich ohne ein Lächeln aus dem Wasser gekommen bin, manchmal sogar mit Tränen in den Augen. Aber, um ehrlich zu sein: Ich war ganz alleine daran schuld.
Was war passiert? Ich hatte mich total davon abhängig gemacht, einen bestimmten Trick zu landen. Ohne jegliche Kompromisse. Aber, wie wir alle wissen: Kiten ist nun mal eine Sportart, die stark wetterabhängig ist. Und es gibt eben Tage, an denen die Bedingungen nicht geeignet sind, um etwas Neues zu trainieren. Naja, superehrgeizig wie ich nun mal bin, habe ich diese Tatsache meistens ignoriert.
Stattdessen hab ich noch verzweifelter herumgeübt, manchmal stundenlang und oft bis ich körperlich und geistig komplett leer war. Und megasauer war ich noch dazu – auf mich selbst. Einerseits, weil ich den verdammten Trick nicht landen könnte. Andererseits, weil ich mir die Chance auf eine geile Kitesession versaut hatte.

Natürlich war es nicht immer ganz so schlimm. Aber es gab eben Tage, an denen ich abends nicht annähernd so stoked war wie die meisten anderen Kiter. Eben weil ich in meinem Wettkampf gegen mich selbst nicht gewonnen hatte. Mein Sinn für die schönen Seiten des Kitens war nur mehr sehr minimal vorhanden.
Lange Zeit war mir gar nicht klar, wieviel Spaß ich mir durch den ganzen unnötig auferlegten Druck wirklich entgehen ließ. Mein Mann wies mich zwar ständig darauf hin, dass ich unentspannt und heftigst ungeduldig war … und dass es mich nicht umbringen würde, sollte mir beim Kiten etwas nicht bzw. nicht sofort gelingen. Natürlich kam auch die Frage, warum ich mich deshalb so fertigmachen würde.
Und er machte mich auch auf die Tatsache aufmerksam, dass Kiten für mich schon lange kein Spaß mehr war, sondern etwas, dass ich nur mehr mit Zwang verband. Klar wollte ich das alles nicht hören. Aber er hatte absolut recht.

Ob ich mich geändert habe?
Ja, ein wenig. Aber ehrlich gesagt bin ich immer noch diese superehrgeizige, ungeduldige Person. Ich habe immer noch diesen Wettkampf mit mir selbst als Gegner laufen und pushe mich dazu, dies und das endlich zu landen. Es gibt auch immer noch diese Tage, an denen ich meine Sessions nicht genießen kann – weil nichts so funktioniert, wie ich will.
Was sich definitiv verändert hat, ist, dass mir viel eher als früher bewusst ist, wie schlecht ich mich selbst behandle, wenn ich mich grundlos so unter Druck setze. Außerdem versuche ich mittlerweile, die Sachen, die ich übe, an die Bedingungen anzupassen. Also kein unhooked Zeugs mehr bei 30 Knoten. Vor allem, weil ich mich nicht verletzen will!
Stress beim Kitesurfen:
Tipps & Tricks
Ich wünschte, ich könnte hier alle möglichen Psychotricks auflisten, die bei o. g. Situationen hilfreich sind. Aber erstens bin ich kein Psychologe. Zweitens ist es schwierig, eine Strategie für jede einzelne Situation und Person zu finden – weil jeder seinen individuellen Charakter hat.
Fühlt man sich beim Kiten in irgendeiner Art und Weise gestresst, ist es meiner Meinung nach das Beste, sich erstmal zu fragen, was dahintersteckt. Ziemlich wahrscheinlich liegt der Grund für diesen Stress nämlich in einem selbst.

Ich kann aber verraten, welche Tricks mir helfen – und welche Strategien meines Wissens nach bei anderen gut funktionieren.
Wie man Stress beim Kitesurfen vermeidet
- Wenn ich etwas Neues üben will, frage ich mich: Ist das jetzt die richtige Session dafür? Und dann bemühe ich mich, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Wenn es nein sagt, dann lasse ich es sein. Es kommen andere Tage/Sessions, an denen die Vibes besser dafür passen.
- Wenn ich merke, dass ich mich selbst wieder mal zu sehr pushe, frage ich mich ganz bewusst: Bist du ein Wettkampf-Kiter? Die Antwort lautet ganz klar: Nein! Also, aus welchem Grund muss ich diesen Trick jetzt unbedingt stehen? Nur meinem eigenen überzogenem Ehrgeiz zuliebe.

- Immer dran denken: Ungeduld und Verbissenheit machen unentspannt – und je unentspannter, desto weniger funktioniert. Je lockerer man unterwegs ist, desto mehr Platz bleibt für den Flow.
- Während einer Session lenke ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf meine Umgebung … also die Natur. Ich meine, wie genial ist es, eins mit den Elementen Wind und Wasser zu sein, in den Himmel zu schauen und die absolute Freiheit zu fühlen? Wie wichtig ist es dann noch, ob ein bestimmtes Manöver gelingt oder nicht? Mich auf die Natur zu konzentrieren entspannt mich total.

- Denkt an das Sprichwort: “You can’t stop the waves, but you can learn to surf.” Das sagt eigentlich eh schon alles. Die Natur kann man nicht beeinflussen – vielmehr hat sie unseren Respekt verdient. Also sollte man sich an die Bedingungen, die sie vorgibt – Wellen, Wind etc. – anpassen, anstatt dagegen anzukämpfen.
- Sich nicht zu ernst nehmen. Die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, ist unbezahlbar! Gerade, wenn man sich in einer selbstverursachten Stresssituation wiederfindet, wirkt Über-sich-selbst-lachen Wunder und entpannt sofort.

- Musik! Manchmal nehme ich meinen wasserfesten MP3-Player mit aufs Wasser und hör mir meine Lieblings-Playlists an. Kiten mit Musik ist etwas ganz anderes für mich – ich möchte es nicht immer haben, aber manchmal passt es einfach genau. Es kommt auch vor, dass ich dann am Wasser singe. Alles in allem herrlich entspannend.
- Wir müssen reden. Spricht man mit anderen Kitern, wird man schnell merken, dass es viele gibt, die ähnliche Erfahrungen machen wie man selbst. Man ist also nicht allein – und das fühlt sich gut an. Es hat eben jeder seine Ticks.
And last but not least:
- Wen will man beeindrucken? Mal ehrlich: Sind wir am Wasser nicht eh alle vorwiegend mit uns selbst beschäftigt? In Wirklichkeit sind die anderen demnach wahrscheinlich nicht so interessiert daran, wie man kitet und welche Tricks man macht oder nicht macht. Wer aufhört, sich mit anderen zu vergleichen, wird enorm davon profitieren – man lebt (und kitet) gleich viel entspannter.

Mehr Tips & Tricks für bessere Kitesessions gibt es übrigens hier!
Wie steht ihr zum Thema Stress beim Kitesurfen? Habt ihr schon Ähnliches erlebt? Wie geht ihr mit Ehrgeiz etc. um? Ich bin gespannt auf eure Berichte!
Aloha, Anja